Seit einiger Zeit stellt Anja beinahe täglich eine Check-in Frage auf LinkedIn. Letztens fragte sie dort (sinngemäß), welches Buch man schreiben würde, wenn man ein Buch schreiben würde. Und ich antwortete – nicht ganz unernst gemeint –, ich würde ein Buch über Check-ins schreiben. Das war der Startschuss zu diesem Experiment. Und wir starten erst einmal mit dem, was wir haben, wie schreiben also Beiträge auf unseren jeweiligen Blogs um zu erfahren, ob diese Gedanken für mehr als uns beide hilfreich sind und ob vielleicht mehr daraus werden wird … 

Denn immer wieder werden wir gefragt: “Wieso eigentlich der Check-in, wir haben doch eh so wenig Zeit im Termin?” Viele lassen Check-in und Check-out bei der Planung einer Agenda direkt weg. Vielleicht ist vielen einfach nicht klar, dass Check-ins nicht nur optionales “Chi Chi” sind. Im Gegenteil: Wir sind davon überzeugt, dass Check-ins wirklich wirksam sind, wenn man sie klug einsetzt. Und – wir haben es vorher schon geahnt, doch erst beim Schreiben ist es uns richtig bewusst geworden: Check-ins sind nicht so trivial, wie sie vielleicht auf den ersten Blick erscheinen …

Also schauen wir uns das einmal genauer an und ich starte mit meinem aktuellen Favoriten: 

Check-in: „Welche:n (Super-) Held:in hättest Du heute gerne an Deiner Seite gehabt? Und wofür?“

ANWENDUNGSFALL

Als Inspiration bereite ich Bilder von Superheld:innen und anderen bekannten Persönlichkeiten auf einem digitalen Whiteboard vor. 

Im weiteren Text werde ich häufig “Ikone” als genderneutralen Begriff nutzen, was zudem auch den Blick weiten soll: Es geht hierbei nicht nur um klassische Superheld:innen im engeren Sinne sondern generell um Persönlichkeiten und andere Wesen mit besonderen Eigenschaften, egal ob fiktiv oder real.

Alle Teilnehmenden erhalten etwas Bedenkzeit (ca. 1-3 Minuten), um eine:n Held:in auszuwählen und das Bild entsprechend zu markieren. 

Wer beginnen mag, mag beginnen – wenn niemand beginnen mag, beginne ich manchmal einfach selbst. Ich nenne dann die Ikone, die ich heute gerne als Unterstützung an meiner Seite gehabt hätte und erkläre kurz, wobei die Ikone mir hätte helfen können und vor allem: wie, also mit welcher “Superkraft” (auch hier gilt: im weiteren Sinne)! 

Danach gebe ich nicht an eine Person weiter sondern an eine andere markierte Ikone. Falls eine Ikone von mehreren Personen markiert wurde, überlasse ich es meist der Selbstorganisation, in welcher Reihenfolge vorgegangen wird – falls das nicht (schnell genug) klappt, schlage ich eine Regel vor, bspw. alphabetisch nach Vornamen.

DEKONSTRUKTION

Wie(so) wirkt das?

Wie bei jedem Check-In, bekommen auch hier alle Teilnehmenden einen Moment der Achtsamkeit geschenkt, eine Gelegenheit zur Reflexion: Was war heute bis jetzt los, was habe ich bis jetzt gemacht? Wie geht es mir gerade?

Das Besondere (und Irritierende) bei diesem Check-in ist die Einladung zum kreativen Perspektivwechsel: Welche Figur hätte mir wobei helfen können? Und wie, mit welcher “Superkraft”?

Alle Teilnehmenden können selbst entscheiden, wie tief sie Einblick gewähren wollen, indem sie entweder sehr profane/oberflächliche Situationen schildern, bei denen eine Ikone hätte helfen können, oder Situationen, die etwas tiefere Einblicke geben.

Die Metapher “Superheld:in” bietet dabei eine Art Schutzschild: Man kann sich öffnen und eine unangenehme Situation schildern, ohne dass die Worte aus dem eigenen Mund kommen. Man kann sich gewissermaßen hinter einer fiktiven Figur verstecken, und beobachten, wie die anderen reagieren. Im Notfall kann man immer noch “den Joker ziehen” und darauf hinweisen, dass das doch gar nicht ernst gemeint war sondern Fiktion. 

Apropos Fiktion: Die Weitergabe an eine nächste Ikone statt der Nominierung einer nächsten Person oder der Festlegung einer festen Reihenfolge lädt dazu ein, tiefer in die Fiktion einzutauchen (“Auf wen wäre ‘Super Icon’ wohl neugierig?”). Außerdem wird es so erschwert, taktisch/politisch zu nominieren, also je nach Situation und Zielsetzung gezielt an Verbündete oder etwaige Kontrahent:innen weiter zu geben.

In welchen Situationen kann ich das einsetzen?

Dieses Check-in ist sehr vielfältig einsetzbar: zum Start eines Workshops/Meetings, bei Bedarf (Besinnung, Reflexion, Perspektivwechsel etc.) auch mal zwischendurch oder (in etwas abgewandelter Form) auch zum Check-out.

Je nach Situation und Betonung, Formulierung bzw. Moderation kann der Fokus dieser Frage stärker auf das individuelle und achtsame Ankommen, auf den Perspektivwechsel zur Anregung der Kreativität, auf ein “anderes” gegenseitiges Kennenlernen oder schon auf den Einstieg in das Thema gerichtet werden (mehr dazu im nächsten Absatz VARIATIONEN).

VARIATIONEN

Wir haben nicht viel Zeit. Was ist die schnellste Variante?

Um Zeit zu sparen, können die Redebeiträge (“warum gerade diese Ikone und wie hätte sie mich wobei unterstützen können?”) auch schriftlich skizziert werden – auf einer (digitalen) Haftnotiz oder im Chat .

Die kürzeste Variante: Bilder individuell markieren, alle schauen sich die markierten Ikonen an, und nur wer wirklich etwas dazu sagen möchte, sagt kurz etwas. Falls es relevante Muster/Häufungen zu erkennen gibt, kann dies durch die Moderation kurz angesprochen werden.

Was mache ich, wenn ich Herdentrieb oder taktisches Auswählen befürchte?

Falls Herdentrieb (bspw. Chef setzt die Markierung, alle anderen folgen) oder taktisches Auswählen vermutet wird, kann man entweder eingebaute Funktionen für verdeckte Abstimmung (bspw. Dot-Voting Funktion auf Miro) nutzen oder die vorhandenen Möglichkeiten entsprechend einsetzen: Alle schreiben ihre eigene Wahl auf einen Zettel und halten die Zettel zeitgleich hoch (bzw. in die Kamera), wenn die Moderation das Signal gibt. Oder es tippen alle ihre Wahl in einen Chat und senden erst auf Signal der Moderation ab.

Geht das auch, wenn wir nicht gemeinsam auf einem digitalen Whiteboard arbeiten können?

Falls die Teilnehmenden nicht gemeinsam auf einem digitalen Whiteboard arbeiten können, kann die Moderation die Bilder auch per Bildschirmfreigabe teilen (oder im Vorfeld per E-Mail verschicken). Um es den Teilnehmenden einfacher zu machen, die ausgewählte Ikone „korrekt“ zu benennen oder gar in den Chat zu schreiben, ist es sinnvoll, die Bilder zu beschriften oder zumindest zu nummerieren.

Der Workshop findet in Präsenz statt. Wie gehe ich dann vor?

Dieser Check-in ist nicht nur online/digital sondern auch in Präsenz möglich: Die Bilder müssen dann entweder vorher ausgedruckt und im Raum platziert werden oder man projiziert sie digital an eine Wand. 

Ich mag ja die Idee mit den “(Super-) Held:innen”. Aber die Frage passt nicht so ganz zu unserem Kontext. Wie kann den Fokus auf unsere spezifische Situationen lenken?

Welche (Super-) Held:in hättest Du im letzten Sprint (oder: “im letzten Projekt”) gerne an Deiner Seite gehabt? Und wofür?

Der Fokus liegt so auf einem längeren Zeitraum und stärker auf dem gemeinsamen Wirken als auf dem individuellen Aspekt. 

Welche:n (Super-)Held:in hätten wir im letzten Sprint gut gebrauchen können? Und wofür?

Der Fokus liegt hier stärker auf dem Team. (Und eventuell kann die am häufigsten genannte Ikone künftig häufiger ins Spiel gebracht werden, wenn es mal klemmt – mit der Frage: “Was würde ‘Super Icon’ tun?”)

Welche:n (Super-) Held:in hätte ich gerne zum heutigen Workshop/Meeting eingeladen? Und wofür?

Der Fokus liegt hier auf dem anstehenden Meeting/Workshop und den individuellen Erwartungen (und Befürchtungen) an den Workshop bzw. das Meeting.

Welche:n (Super-) Held:in hättest Du im heutigen Workshop/Meeting gerne an Deiner Seite gehabt? Und wofür?

Auf diese Art und Weise kann man den Check-in leicht zum Check-out umformulieren. 

Was würde – ein:e (Super-) Held:in Deiner Wahl – uns für den heutigen Workshop/Meeting mit auf den Weg geben?

Der Fokus liegt hier noch stärker auf dem anstehenden Meeting/Workshop und den individuellen Erwartungen an den Workshop bzw. das Meeting. Durch das fiktive Zitieren treten etwaige “Superkräfte” in den Hintergrund.

Was hätte – ein:e (Super-) Held:in Deiner Wahl – wohl zum heutigen Workshop/Meeting gesagt?

Ein weiteres Beispiel für eine Umformulierung als Check-out: Vielleicht war es nie einfacher, Kritik an einem Meeting/Workshop zu äußern, als durch die Lippen einer fiktiven Figur.  

Apropos Check-out: Sollten Check-in und Check-out zueinander passen?

Es kommt drauf an. Es kann durchaus Sinn ergeben, sowohl im Check-in als auch im Check-out die Ikonen-Metapher zu verwenden und so den fiktiven Kreis zu schließen. Dabei kann man neue Ikonen auswählen lassen oder (zum Beispiel um Zeit zu sparen) zum Ende wieder dieselben Ikonen “sprechen” lassen, die schon zu Beginn gesprochen haben.

Wenn es aber wichtige Gründe gibt, einen anderen Check-out zu verwenden, dann kann der Check-in auch allein stehen bleiben.

Und wenn (Super-) Held:innen zu langweilig erscheinen?

Alternativ zu den (Super-) Held:innen lassen sich auch (Super-) Schurk:innen einsetzen, z. B. mit der folgenden Frage:

Welche:n (Super-) Schurk:in hat Dir heute schon den Tag sabotiert? Und wie?

Auf welche Risiken und Nebenwirkungen sollte ich achten?

Die Frage sollte natürlich immer zur Situation passen. Wenn also bspw. alle Teilnehmenden gerade erst aufgewacht und aufgestanden sind, dann ist der Fokus auf den Zeitraum “heute, bis jetzt” vielleicht etwas zu eng gefasst … 

Je nach Alter und kulturellen Hintergründen der Teilnehmenden können vielleicht nicht alle etwas mit den Ikonen anfangen, mit denen Du selbst aufgewachsen bist. Denke immer daran: “Der Köder muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler” 😉

Falls jemand eine Ikone wünscht, zur der Ihr kein Bild vorbereitet habt, dann solltest Du vorbereitet sein: Entweder kannst Du schnell das passende Bild hinzufügen oder Du hast einen Platzhalter vorbereitet, in den Du zumindest den Namen der gewünschten Ikone schreibst. 

Beim Verwenden von Bildern bekannter Ikonen sind natürlich Geistiges Eigentum und weitere Rechte zu beachten. 

Um die Umwelt zu schonen, können ausgedruckte Bilder wiederverwendet werden, sofern alle achtsam damit umgehen und entfernbare Markierungen verwendet werden. Eventuell ist es hilfreich, die Bilder vorher zu laminieren. 

CO-CREATION

Was meint Ihr? Probiert es doch einfach einmal aus! Und berichtet über Eure Erfahrungen. Gerne hier direkt als Kommentar. 

Apropos: Anja und ich haben zwar selbst viele Check-ins im Repertoire aber wir sind sehr neugierig auf Eure Favoriten! Also schreib uns doch, welches Check-in Du am liebsten nutzt. Und wenn Du ganz besonders mutig bist, dann beschreibt Du ein besonders misslungenes Check-in. Beschreibe einfach einen typischen/konkreten Anwendungsfall des Check-ins Deiner Wahl (idealerweise in weniger als 1.500 Zeichen). Gerne als Kommentar oder per E-Mail. Vielleicht nehmen ihn dann in in einem unserer nächsten Artikel unter die Lupe – natürlich nennen und verlinken wir Dich dann als Quelle. 

Wir freuen uns auf Euer Feedback und Eure Check-ins.
Und damit: Check-out! 

Cheers/Heiko

PS: Falls Du Dich fragst, wieso im Titel „Ausgabe 1b“ steht und ob es auch eine „Ausgabe 1a“ gibt: Ja, denn zeitgleich zu diesem Beitrag „1b“ veröffentlicht Anja den Beitrag „1a“ auf ihrem Anstifter-Blog huhuco. Ihre Frage zum Check-in lautet: „Was können wir tun, um richtig schön zu scheitern?

PPS: Und „a“ steht übrigens für Anja und „b“ für Bartlog 🙂