Ernsthaft? Braucht es wirklich noch jemanden, der noch mehr Menschen durch die ach so hippe Startup-Hauptstadt Berlin scheucht? Noch mehr Menschen, die in der Hoffnung nach Berlin kommen, dass Innovationskultur, Agilität und diese New Work-Geschichte irgendwie auf sie abfärbt? Dass sie ein Patentrezept für erfolgreiche Digitalisierung und disruptive Geschäftsmodelle mit nach Hause nehmen? Nein! Natürlich nicht! Menschen, die sich mit solchen Vorstellungen von mir durch Berlin begleiten lassen, werden höchstwahrscheinlich enttäuscht sein. Wer sich dagegen darauf einlässt, sich ein oder zwei Tage aus erster Hand von ganz unterschiedlichen Persönlichkeiten und Organisationen inspirieren zu lassen, wer sich neugierig und offen auf eine solche Reise begibt, den bzw. die begleite ich sehr gerne. Wie so etwas ablaufen kann, möchte ich am Beispiel der Stationen meiner letzten Berlin Innovation Safari kurz skizzieren.
Berlin Innovation Safari – Tag 1
Die Reisenden
Dieses Mal durfte ich eine Reise für knapp zwanzig Beraterinnen und Berater der SHS Unternehmensberatung aus Österreich konzipieren, organisieren und durch Berlin begleiten.
Die Aufgabenstellung war einfach und unmöglich zugleich: Maximale Inspiration!
Kein konkreter Branchenfokus (Fintechs, E-Commerce, Plattformen, …), kein besonderer Themenfokus (Startup, Agilität, New Work, …). Das bedeutete für mich: Maximale Freiheit bei der Zusammenstellung der Tour auf der einen Seite, maximale Unsicherheit und Risiko, die impliziten Erwartungen in den Köpfen nicht zu treffen, auf der anderen Seite.
Wie also geht man mit derart hoher Ungewissheit und Komplexität um? Genau: Miteinander kommunizieren ist ein guter Ansatz!
Herausgekommen ist ein breiter Mix an Stationen. Ich habe einerseits darauf geachtet, dass es einen roten Faden gibt und Kernthemen – wie z. B. alternative Organisationsformen – von mehreren Stationen aufgegriffen, dabei aber aus unterschiedlichen und teilweise sogar kontroversen Perspektiven beleuchtet wurden. Andererseits habe ich auch ganz bewusst immer wieder frische Impulse und Abwechslung in die Tour eingebaut.
Denn eines ist sicher: Es gibt nicht den einen Weg, kein Patentrezept – es gibt eine große Vielfalt an Möglichkeiten zu entdecken!
Impact Hub Berlin
Bei unserer ersten Station, dem Impact Hub in Berlin, ging es direkt darum, die Welt zu verändern! Nele, eine der Gründerinnen empfing uns früh morgens um 9 Uhr – noch vor ihrem ersten Kaffee! Umso spannender waren die Einblicke in die Historie, die Mission, die Community und das weltweite Netzwerk der Impact Hubs.
Anstelle frühmorgendlicher Gähner gab es eine angeregte Diskussion, unter anderem zur Vereinbarkeit von Business mit Social Impact und Nachhaltigkeit. Weitere Themen waren: Intrapreneurship, Art of Hosting, Vernetzung und Hackathons.
Einhorn Products Berlin
Auch bei unserer nächsten Station ging es um die ganz großen Themen, um gesellschaftliche Wirksamkeit. Waldemar, einer der beiden Gründer von Einhorn Products Berlin formulierte seine Vision folgendermaßen: Er möchte mit Einhorn das erste For-Profit-Unternehmen sein, das innerhalb der nächsten fünf Jahre den Friedensnobelpreis erhält! Zugegebenermaßen ein ambitioniertes Ziel, aber wer Waldemar einmal live erlebt, schließt das nicht kategorisch aus …
Ansonsten ging es u. a. um Werte, um Gewaltfreie Kommunikation (GFK), um New Work und Augenhöhe, um Innovation durch Motivation, um Entscheidungen und Führung ohne Chefs, um Alternativen zu Konzernen, Hierarchien und Zielvorgaben! Unfuck the Economy! Und darüber hinaus!
Journey 2 Creation
Weiter ging es dort, wo die Spree sehr breit ist, wo alte Industrie und neue Arbeitswelt aufeinander treffen: Dort waren wir zu Gast in den brandneuen Kreativräumen von Journey 2 Creation.
Unserem Ziel der maximalen Inspiration folgend, haben wir hier inhaltlichen und kulinarischen Genuss miteinander verbunden, und lecker gespeist, während Manjot aus dem Nähkästchen plauderte und spannende Einblicke gab, wie (und warum) sich die interne Organisation von J2C über die Jahre entwickelt hat und dass die Veränderung nicht aufhört.
Natürlich ging es um Design Thinking und Innovation, aber auch um Veränderung, um Agilität, um Mindest, Haltung und Kompetenz, um Unternehmertum und Führung im Netzwerk, um authentische Kommunikation und mehr …
Flixbus
“Wie geht es mit Flixbus weiter, welchen Markt revolutioniert Ihr als nächstes?” So oder so ähnlich lautete eine der Fragen gleich zu Beginn. Hier musste Samir direkt um Verständnis bitten, dass er da leider nichts antworten kann. Und zwar nicht etwa, weil die Zukunft des Unternehmens hinter verschlossenen Türen in geheimen Meetings im elitären Kreis erdacht wird, sondern im Gegenteil: Weil bei Flixbus so viel transparent ist und Samir deshalb so viel weiß, hält er sich im Zweifel lieber an das Prinzip, nichts zu verraten, was eventuell besser intern bleiben sollte.
Samir konnte uns aber trotzdem spannende Einblicke in die agile Organisation des Tech Departments und dessen Stellenwert im Geschäftsmodell von Flixbus geben. Und wer genau hingeschaut hat, der konnte auf einem Kapuzenpulli erkennen, dass Flixbus eines Tages durchaus auch im Weltall tätig werden könnte …
Darüber hinaus ging es u. a. um Digitalisierung, um agile Rollen, um autonome Teams, um Motivation und Ownership sowie um Vielfalt und Transparenz.
Jovoto
Auch bei Jovoto gab es – sorry, ich wiederhole mich – spannende Einblicke in die Welt von Crowdsourcing und Open Innovation. Jovoto ist stolz darauf, dass dies nicht immer gleichbedeutend mit digitaler Ausbeutung von “Clickworkern” sein muss, was offenbar sogar Gewerkschaften goutieren.
Wir konnten uns ganz konkrete Beispiele für Innovations-Kampagnen namhafter Unternehmen mit kuratierten Expertenteams anschauen. Es wurde angeregt über Themen wie selbstbestimmte und ortsunabhängige Arbeit einerseits und der flexible Zugriff auf “the best of external talent” andererseits diskutiert.
Curry 36
Wie gesagt: Der Fokus dieser Safari lag auf maximaler Inspiration, nicht auf kulinarischer Entschleunigung. Zeit für eine original Berliner Currywurst in Kreuzberg war dann aber doch noch – schließlich sollte es nicht mit knurrendem Magen zur letzten Station des ersten Tages gehen.
Meetup – F@CK UP NIGHT
Bei zweitägigen Touren beschließe ich den Abend des ersten Tages gerne mit dem Besuch eines Meetups. Denn gerade die lebendige Meetup-Szene ist ein Nährboden für Innovation – nicht nur in Berlin. Idealerweise lässt sich das mit einem passenden inhaltlichen Impuls kombinieren. Mindestens aber ist ein solches Meetup eine Chance, sich mit der Community vor Ort zu vernetzen und ganz einfach mit Menschen ins Gespräch zu kommen, die gerade etwas bewegen! Bei der F@CK UP NIGHT des TCCT (Trainer, Coaches and Consultant Tribe) hörten wir drei ganz individuelle Geschichten des Scheiterns, teils traurig, teils lustig, letztendlich aber immer bewegend!
Ausblick: Tag 2
Wer jetzt denkt, diese sieben (in Zahlen: 7!) Stationen seien doch schon genug Inspiration für zwei oder gar drei Tage, liegt sicherlich nicht falsch, normalerweise … Doch diese ganz besondere Tour hatte am zweiten Tag noch vier weitere Stationen zu bieten – und es wurde nicht langweilig! Doch dazu mehr im zweiten Teil dieses Reiseberichtes.
Ich war dabei, es war noch viel besser !